Ich bin neu in diesem Forum und stehe leider vor einer schwierigen Entscheidung!
Vor der Begegnung mit der TGB Bellavita 300 kam für mich eigentlich nur eine Vespa GTS 300 Super in Frage. Hätte ich keinen Besuch bei einem TGB-Händler gemacht, hätte ich schon eine Vespa. Ich war einfach zu neugierig auf dieses taiwanesische "Vespa-Plagiat". Als ich den aus Plastikteilen designten Luxusroller vor mir stehen sah, war ich schon sehr angetan. Dieser Roller wirkt in Natura beinahe edler als das Original aus Italien. Die Verarbeitung der Plastikverkleidung ist derart perfekt, dass ich zuerst mit großer Gewissheit annahm, die Plastikteile wären echter Blech-Pressstahl. Ich musste mehrfach eine Klopfprobe durchführen, so edel sieht die Plastikhülle aus. Auch die diversen Anbauteile wirken zumindest so edel, wie bei einer Vespa. Die Leucht- und Blinker-Einheiten sind bis auf den Hauptscheinwerfer mit moderner LED-Technik bestückt (sieht total edel aus!). Auch das Cockpit verstrahlt viel mehr Noblesse als die billig wirkenden Anzeigen bei der Vespa. Die Spiegel sind genau so edel und auch stabil. Nichts wirkt im ersten Moment billig. Einzig der Auspuff gefällt mir nicht so gut, weil fast zu plump für das grazile Gefährt, aber da könnte man sicher mal bei Remus oder Akropovic verbeischauen, um dieses Schönheitsmanko zu beheben.
Erstes Probesitzen:
Ergonomie ist für meine Größe (180 cm) ganz gut, jedoch könnte die Sitzposition etwas höher sein. Auch der Fußraum ist leider nicht üppig. Aber sonst gibt es nicht viel zu meckern. In diesem Punkt ist aber die Vespa klar besser. Auch die Platzverhältnisse unter der Sitzbank sind bescheiden. Dafür entschädigt die Bellavita mit einer elektrischen Entriegelung. Trotzdem ist auch hier die Vespa noch etwas geräumiger.
Meine erste Probefahrt:
Ich hatte schon zuvor eine ausgiebige Probefahrt mit einer Vorführ-Vespa GTS 300 durchgeführt und war eigentlich eh sehr zufrieden. Die tolle Ergonomie, der üppige Motordurchzug von ganz unten und das ausgesprochen quirlige Handling der Vespa möchte ich hier als besonders erwähnenswerte Punkte aufzählen.
Zur Bellavita:
Die Bellavita - und das war eigentlich die größte Überraschung für mich - ist bis auf die Ergonomie absolut nirgends schlechter als die Vespa, jedoch in vielen Punkten sogar besser! Ja, man kann es gar nicht glauben, wenn man diesen Roller nicht selbst gefahren hat. Der Hubraum der Bellavita (264 ccm) ist zwar kleiner als beim Vespa-Motor (278 ccm) und trotzdem zieht die Taiwanesin gefühlsmäßig auf und davon, dass es wahrlich eine Freude ist, das Ding zu beschleunigen. Der Motor zieht von 0-100 km/h in einem Satz durch, ohne irgend einen einzigen Drehmomenteinbruch. Auch der Vespa-Motor geht nicht gerade schlecht, zumindest von 0-80 km/h, aber dann erleidet der Motor einen Leistungseinbruch und die Beschleunigung wird relativ zäh. Auch die Laufruhe und die Drehfreudigkeit des Bellavita-Motors ist um einiges besser als bei der Vespa. Ich kann mir das alles nicht so recht erklären, ist doch der Leistungs- und Gewichtunterschied zwischen Bellavita und Vespa nur minimal. Da haben die Asiaten leider wirklich hervorragende Arbeit geleistet, denn die Italiener haben in diesem Punkt ziemlichen Nachholbedarf.
Fahreigenschaften:
Was mir bei der Vespa besonders gut gefallen hat, ist ihre Wendigkeit in der Stadt. Aber gerade diese Wendigkeit wird ihr gerade bei höheren Geschwindigkeiten zum Verhängnis. Die Bellavita hat ein minimal weniger quirliges Handling, jedoch überzeugen ihre Fahrwerksqualitäten bei höheren Geschwindigkeiten erst so richtig. Im direkten Vergleich zur Vespa fährt sich die Bellavita um Klassen besser. Damit meine ich die Geradeauslauf- und Kurvenstabilität, die Fahrwerks- und Rahmensteifigkeit, den Abrollkomfort und die Federungsqualitäten. Hier ist die Bellavita in ihrem Element und zeigt zugleich auch auf, dass die Italiener hier einige Jährchen regelrecht verschlafen haben. Im direkten Vergleich fühlt sich das Fahrverhalten der Vespa geradezu "tollpatschig" an. Auch das Lenkerflattern und die geringe Verwindungssteifigkeit des Vespa-Rahmens ist kein Zeichen für hohe Fahrwerksqualität. Die Bellavita wirkt hier im Vergleich fast wie ein Bollwerk, dass von jeglicher Straßenbelagsqualität unbeeindruckt bleibt. Das gilt ebenso für die Bremsen der Bellavita, einfach TOP!! Auch hier zeigt die Italienerin große Schwächen hinsichtlich Druckpunkt, Dosierbarkeit und Wirkung.
Mein vorläufiges Fazit:
Sind einem Merkmale wie Antrieb, Fahrverhalten, Bremsen, Verarbeitungsqualität und Kaufpreis wichtig, der kann sich bestimmt ohne Reue für die Bellavita entscheiden. Zählt für den Käufer mehr der Kultfaktor, das Platzangebot, das Zubehörangebot und die Wertstabilität, der sollte sich besser die Vespa zulegen. Wenn es jetzt nach mir ginge, hätte ich am liebsten die Vorzüge aus "beiden Welten". Aber leider gibt es das im stylischen Rollersegment noch nicht und muss mich jetzt für einen der beiden Luxusroller erst entscheiden.
Nochmals: Es wäre mit großer Sicherheit die Vespa GTS 300 geworden, wenn ich nicht den Gang zum TGB-Händler getan hätte. Die Entscheidung würde mir jetzt wesentlich einfacher fallen, würden die Italiener nächstes Frühjahr mit einer überarbeiteten Vespa und 350er-Motor aus der Beverly auftrumpfen. Aber leider ist diese Wahrscheinlichkeit sehr sehr gering.
Gruß tschenifa